Ich möchte, dass ihr euch auf eine Art Gedankenexperiment einlasst. Die Technik schreitet voran, die Spiele werden immer realistischer und Google stellt fast die ganze Welt virtuell zur Verfügung. Was ist der nächste Schritt? Was ist ein nahezu zwingend folgendes Szenario? Das perfekte „Second Life“. Also im Prinzip eine Kopie des echten Lebens, nur virtuell. Ein ganzer Haufen Fragen stellt sich natürlich direkt, doch fokussieren wir uns nicht auf technische Fragen zur Umsetzung, sondern auf moralische und gesellschaftliche Fragen.
Bevor eine Diskussion über ein Verbot eines solchen Spiels entstehen könnte, stände erstmal ein Hindernis im Weg, das wir alle nur zu gut kennen. Dieses Hindernis heißt „USK“. Würde diese Institution ihr OK geben? Meine lieben Zocker-Genossen, es wird Zeit für uns, philosophisch zu werden und sich eine Frage zu stellen, die in meinen Augen irgendwann auftauchen wird:
Ist die Realität zu hart, um sie zu zeigen? Können wir es verantworten, die Realität unverblümt darzustellen?
Diese Frage kam mir in den Kopf, als ich vor kurzem „Just Cause 2“ zockte. Meiner Meinung nach ein äußerst interessanter Streitpunkt. Ein Spiel in dem alles möglich ist, was auch in Realität möglich ist, wäre quasi der Super-Gau.
Wenn es nicht indiziert wird, darf prinzipiell kein einziges Spiel mehr indiziert werden, außer es geht über einen realistischen Grad an Darstellung verschiedener Dinge hinaus.
Sollte es aber indiziert werden, nimmt man damit dem Menschen seine Freiheit. Nicht, weil er ein Spiel nicht kaufen darf, das wäre kein Problem. Viel schwieriger und verhärteter wird die Diskussion um die Frage, ob der Mensch vor sich selbst „geschützt“ werden sollte und ob es angemessen und nötig ist, ihm zu verbieten, zu leben. Natürlich ginge das reale Leben trotz des Verbots weiter, doch es bleibt fraglich, ob aus einem Verbot einer virtuellen Realität nicht auch schwere Einschnitte in die reale Freiheit resultieren würden. Denn wenn die Realität tatsächlich zu hart für den Menschen ist, so muss er auch im normalen Leben vor ihr geschützt werden, oder? Die Folge wäre ein Überwachungsstaat der Suberlative.
Das ironische an der ganzen Diskussion um Spiele-Verbote liegt ja in der Tatsache, dass der einzige Unterschied zwischen den beiden Realitäten in der Konsequenz der Taten läge: Wer virtuell tötet, der verschiebt letztendlich Zahlen. Wer tatsächlich tötet, der löscht ein Menschenleben aus. So gesehen ist der virtuelle Mord also harmloser als der reale Mord. Im perfekten Second Life gäbe es auch Polizei und SEK, es wäre also nicht leichter als in der Realität, ein Verbrechen zu begehen. Reicht das nicht aus, um das Spiel zu legalisieren? Nein. Beim heutigen Stand der Entwicklung, wäre ein perfektes Second Life direkt verboten. Bitter: Die heutige Gesellschaft hält die echte Welt für zu brutal, um sie der echten Welt zu zeigen. Paradox? Ja und nein. Tatsächlich sind wir es selber schuld, dass ein Spiel dieser Art nicht erscheinen könnte, denn wir sind eine Gesellschaft, die die Möglichkeiten einer virtuellen Welt besagten Umfangs missbrauchen würde. Sicher würden viele Handel treiben, Landschaften erkunden usw., doch ebenso würden manche Spieler unglaubliche Massaker veranstalten. Das ist aus zwei Gründen schlimm: Einerseits behaupten Christian Pfeiffer und Konsorten, dass Spiele die Hemmschwelle gefährlich senken würden. Andererseits öffnet sich bei einer WIRKLICH perfekten virtuellen Welt auch die Frage, ob ein virtuelles Verbrechen nicht ebenso moralisch verwerflich ist, wie eines in der echten Welt.
Das perfekte Second Life würde ja auch niemanden zwingen, ein Verbrecher zu werden. Wo es in modernen Spielen teils durch die Story zum Zwang wird, Morde zu begehen, da würde Second Life die Freiheit zum Frieden beibehalten. Wird es dadurch nicht sogar harmloser, als Call of Duty und co.?
Und ab hier lasse ich euch alleine. Es ist sicherlich sehr spannend zu sehen, was für Gedanken ihr zu diesem Thema habt. Nutzt das Forum und diskutiert. Bringt Argumente ein und erläutert auch andere Facetten dieses Problems. So könnten z.B. reale Verbrechen über eine Imitation der echten Welt durchaus geplant werden...
Euer
-Raptor-