Die E3 ist vorbei, wir sahen allerlei Shooter-Brei aber es war keinerlei Innovation dabei. Moment! Keinerlei Innovation? Playstation Move, Kinect, Nintendo 3DS... Alles Neuheiten höchster Güteklasse! Oder?
Nein. Wer in der Spielebranche das Wort „Innovation“ benutzt, der meint damit meist ein Anheben der Qualität eines Spiels auf eine völlig neue, unbekannte Ebene. So gesehen war ein Banjo Tooie auch eine Innovation, obwohl es das Spielprinzip schon lange vorher gab. Doch wenn wir ehrlich sind, dann wird jeder von uns schnell erkennen, dass keiner der großen Drei in der Lage war, Innovation zu zeigen.
Keine Frage, die E3 war dieses Jahr in vielerlei Hinsicht ein voller Erfolg, doch das liegt lediglich daran, dass die letzten Jahre eine pure Katastrophe waren. Betrachten wir doch mal besagte drei Publisher im Detail:
Nintendo
Nintendo war mit Sicherheit die größte Überraschung der Messe. Nach zwei nahezu unerträglichen Vorstellungen in den Vorjahren kamen die Damen und Herren aus dem Land der aufgehenden Sonne mit vollem Gepäck auf die Bühne und zündeten eine Bombe nach der anderen: Zelda, Kirby, Mario, Donkey Kong, Kid Icarus, Metroid und sogar ein neues Golden Eye. Keine Frage, das verdient alles höchsten Respekt. Aber bei genauerer Betrachtung muss man feststellen, dass Kirby und Donkey Kong „nur“ 2D-Spiele sein werden (Hier hätte man perfekt an die N64-Ära anschließen können und Kirby einen völlig neuen 3D-Anzug verpassen können), Metroid schon lange bekannt war und Mario sich wieder nur in der Welt des Sports finden wird. Zelda scheiterte eher an der Präsentation als am Spiel selbst. Diesen Titel direkt zu Anfang der Präsentation zu verheitzen und dann ohne eine epische Atmosphäre zu erzeugen eine hakelige Gameplay-Show zu zeigen ist zwar letztendlich informativer als eine effektvolle Vorstellung wie damals bei Twilight Princess, nimmt dem ganzen aber auch jede Chance, zur Legende zu werden. Lediglich Golden Eye kann als warer Knaller eingeordnet werden, denn hier stimmten Inhalt und Präsentation. Auch der 3DS, welcher am Ende der Show enthüllt wurde, konnte zwar überzeugen, aber bei weitem keine wahre Hype-Stimmung auslösen. Doch bei Nintendo lief noch alles rund, anders als bei der Konkurrenz.
Microsoft & Sony
Es gab bei beiden Präsentationen zusammen nur eine einzige Sache die wirklich hängen geblieben ist: Eine Mini-Show für ein Spiel im Metal Gear-Universum, bei dem man mit Ganzkörpersteuerung alles, also wirklich alles physikalisch korrekt zerhacken kann. Und schon allein die Tatsache, dass das der Höhepunkt beider Publisher war, verrät, dass hier so einiges schief gegangen ist. Eigentlich lohnt es sich überhaupt nicht, Worte über Sony zu verlieren. Portal 2 war das vielleicht einzige Highlight was der Großkonzern im Sortiment führte – ein Titel von Valve der auch auf der Xbox und auf dem PC erscheinen wird. Was Microsoft betrifft kann man nur hoffen, dass man Nintendo auf wirklich allen Ebenen kopieren wird, indem man in zwei Jahren wieder zurück zur Vernunft kommt und wieder richtige Spiele produzieren lässt. Natal – ab jetzt Kinect – folgt exakt meinen Erwartungen und debütiert mit Spielen, die genauso unkreativ sind wie die Hardware selbst. Zuerst kreuzt Microsoft die Wii mit Sonys EyeToy, um dann die schlechteste Klon-Parade der Videospielgeschichte zu zeigen: Wii Sports, Wii Fit, ein Tanzspiel.... nur alles ohne Wii und mit Kinect. Sogar Nintendogs wird abgekupfert. Und das schlimmste an der Sache ist, dass Rare völlig in Kinect Sports eingespannt wurde und nach dem Wechsel des Logos auchnoch von der alten Website abgekehrt ist. Nun ist die ehemalige Kult-Schmiede von Microsoft völlig zu Grunde gerichtet worden und wird vermutlich nie wieder etwas akzeptables herstellen können, da der Ruf der Casual-Fabrik weiter verfolgt werden muss. Doch damit nicht genug! Man kann ja auch noch bei den sowieso schon recht unkreativen Herrschaften von Sony klauen und eine Xbox 360 Slim ankündigen.
Und? Seht ihr die Innovation? Nein? Wow, dann geht es euch genauso wie mir. Hier wird das Aushängeschild „Innovation“ als Deckmantel verwendet, als Alibi für mangelnden Fortschritt. Es handelt sich hierbei um eine Ausrede, die nötig ist, um die Abnahme der Kompetenz von vielen Entwicklern zu verschleiern. Dass die Durchschnittsqualität von Videospielen steigt soll suggerieren, dass die Entwickler am Rande des Möglichen arbeiten würden. Erstaunlich ist jedoch, dass Entwickler die vor dem Millenium aktiv waren schon Spiele erschufen, die trotz der damals schlechten Technik mehr Spaß machten, als heutige Top-Spiele. Der Fokus verschiebt sich zunehmend von Gameplay-Qualität auf Technik-Qualität und geht damit in die völlig falsche Richtung, wird aber gleichzeitig als „höhere Durchschnittsqualität“ bezeichnet. Noch schlimmer ist jedoch, dass dieses System auch noch funktioniert: Ein paar Bewegungssensoren hier, ein paar 3D-Effekte dort und schon kann man halbgare Minispiel-Sammlungen mit 5 Disziplinen auf der DVD für 50€ verkaufen. Dies würde niemanden stören, wenn es nicht auf Kosten der „richtigen“ Spiele ginge: Rare ist einmal mehr das beste Beispiel.
Dabei geht es doch auch anders: Super Mario Galaxy und der Nachfolger gelten heute als die vielleicht besten Spielen aller Zeiten – nach Zelda Ocarina of Time. Sie verkauften sich wie geschnitten Brot und funktionieren mit einem absolut reduzierten Minimum an Bewegungssteuerung. Und DAS ist wahre Innovation: Klassisches Gameplay, bekannte Musik, quasi keine Story, mäßige Effekte... und trotzdem funktioniert es besser, als alle an Grafik übersättigten Kriegsspiele an denen man höchstens 8 Stunden spielt. Es funktioniert besser als verkrampfte Änderungen am Gameplay und besser als jede Ganzkörpersteuerung. Es ist nichts neues und doch ist die Ebene des Erlebnisses vollkommen neu erschlossen worden, es ist eine nicht erzwungene und damit natürlich entstandene Innovation, die nicht als Alibi für mangelnde Kompetenz dienen muss. Und es macht gleich doppelt Spaß, weil ich mich ganz traditionell mit einer Tüte Chips und einer Flasche Cola auf mein Sofa setzen kann und ohne viel Fuchteln und Hampeln den Alltag ausblenden kann. Das ist es, was so viele Kritiker überzeugt hat. Nicht die Steuerung, nicht die Grafik, nicht das neuartige Erlebnis, sondern das neuartig qualitative Erlebnis. Die Tatsache, alt bekannte Dinge, die bei vielen die Kindheit geprägt haben, neu und frisch erleben zu können, ohne sich wie in einer Zeitschleife zu fühlen, die veraltete Inhalte abspielt ist die Königsdisziplin im Bereich der Unterhaltung.
Und gerade in Anbetracht dieses großen Erfolgs ist es unverständlich, warum auch dieses Jahr wieder auf der Bühne herumgesprungen wurde, um ein virtuelles Leben zu erzeugen, das man im echten Leben doch viel besser nachvollziehen kann. Denkt man den Realitäts-Drang der Publisher zu Ende, dann stehe ich in 10 Jahren mit dem virtuellen Golfschläger auf einer virtuellen Wiese, das ganze Wohnzimmer ist ausgeblendet und ich kann absolut realistisch den Ball schlagen – zum Anschaffungspreis der dem eines realen Golfplatzes absolut realistisch gleicht. Nein, das will ich nicht. Videospiele faszinieren weil sie das anbieten, was die Realität eben NICHT ist. Die Ära von N64, Dreamcast und PS2 wird eine Renessaince erleben, genau wie es derzeit mit den 2D-Spielen passiert. Kirby, Donkey Kong, Sonic, Rayman, Mario... alle großen Namen kehren zurück zu ihren Wurzeln. Und in einigen Jahren wird die Pseudo-Innovation der Bewegungssteuerung nurnoch Feature sein, aber nicht der Haupt-Mechanismus eines Spiels. In diesem Sinne: Augen zu und durch, bessere Tage werden kommen!
Euer
-Raptor-