Es ist ein langer Weg bis Karlsruhe. Wer an einem Tag knapp 11 Stunden im Auto sitzt, um zu einer Präsentation eines Spiels zu fahren, der hat hohe Erwartungen.
Eine Stunde verfrüht betrete ich die Hallen von Zuxxez und mache mich auf eine lange Wartezeit gefasst, doch wider meiner Erwartungen findet Jörg Schindler, seines Zeichens PR Director der Firma, ohne Umschweife Zeit für mich und führt mich in einen großen Raum mit Bar und vor allem vielen, erschreckend großen Flachbildschirmen. Die Atmosphäre ist entspannt und freundschaftlich, der Sessel bequem und die Vorfreude auf das Spiel groß. Anders als bei der letzten Präsentation darf ich nun auch selber Hand an den Controller legen und sogar frei bestimmen, welche Spielinhalte ich sehen möchte.
Das Intro? Ernsthaft, überspringen wir das ganze Vorgeplänkel, ich will die Welt von Antaloor 2.0 sehen. Diese beläuft sich auf ca. 60 km², wobei lediglich geschätzte 25 km² davon die Landfläche ausmachen (es soll um die 50 Dungeons geben), der Rest ist das kühle Nass was dieses mal auch besegelt werden darf. Bevor jetzt Missverständnisse auftreten: Die anfänglichen Pläne, alte Landstriche des ersten Teils zu „recyceln“, wurden verworfen, ihr werdet also ausschließlich neue Landschaften erkunden.
In einer Zwischensequenz werde ich aus einem Portal in eine nordische Waldumgebung geschleudert, nur um kurz danach ein angenehm in den Spielfluss eingebautes Tutorial zu durchleben. Und schon werde ich mit meinem ersten Gegner konfrontiert, einem Grom. Die Anweisung ist klar: Aus dem Hinterhalt erdolchen und nicht entdeckt werden, sonst drohe mir der sichere Tod. Pah! Lächerlich! Ich laufe natürlich heldenhaft auf das grüne Monster zu, ziehe mein Schwert und schlage blind drauf. Unvermeidlich treten gemischte Gefühle in mir auf, denn einerseits ist der Widerstand des Gegners recht groß und stupides Prügeln erweist sich als relativ ineffizient, andererseits schaffe ich es aber trotzdem ohne Probleme mich gegen mein Gegenüber durchzusetzen und habe auch auf dem folgenden Weg keine Schwierigkeiten weiter zu kommen. Nun gut, das ist ein Tutorial, aber wer die Anweisungen so sträflich missachtet wie ich, sollte schon eine gewisse Konsequenz spühren – ich konnte jedoch einfach nach dem Kampf meine Waffe wegstecken, warten bis sich meine Lebensenergie regeneriert hat und weiter durch den Wald laufen. Ungewohnt: Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt. Vor Beendigung der Einführung verläuft das Spiel relativ linear, was sich als durchaus nützlich herausstellt. Wo man im Vorgänger in den ersten Spielminuten Gandohar rein theoretisch direkt töten und somit die Hauptquest unmittelbar beenden konnte, wird Bugs nun vorgebeugt, sodass es zu keinen störenden Zwischenfällen kommen kann.
Der nächste Gegner greift mich erst garnicht an, sondern verfällt in eine wahre Block-Manie. Was tun? Hier zeichnet sich die neue Kampfmechanik deutlich ab, mit einem weit ausgeholten Schmetterschlag gibt’s auf die Zwölf und bald ist der Kampf entschieden. Diese Spezial-Schläge prägen das Bild der gewaltorientierten Auseinandersetzungen, wer in stures Button-Smashing verfällt, richtet schon recht schnell kaum noch Schaden an.
Aber es gibt auch Zeitgenossen, denen sind Klingen und Käulen zu primitiv. Diese Spielergruppe wird sich vermutlich in den Fernkampf verlegen, wobei Magie und Pfeil und Bogen zur Verfügung stehen. Auch hier fühlt sich der Kampf sehr angenehm an, problematisch wird es lediglich, wenn man mit dem Xbox-Controller manuell zielen will, denn im „Sniper“-Modus gibt es keine Zielhilfe. Alles in allem hat mir das Kämpfen wirklich Spaß gemacht, auch wenn die Balancing-Abteilung noch einiges zu tun hat. Nicht nur die überarbeitete Kampfmechanik, sondern auch die verschiedenen Kampftaktiken von diversen Monstern sorgen für Abwechslung, so können einem beispielsweise Paviane den letzten Nerv rauben, da sie einen mit Steinen bewerfen und bei Konfrontationsgefahr einfach weglaufen. Kritisch wird es, wenn man die Steuerung in solchen Situationen betrachtet. Manchmal fällt ein Angriff auf die feindseligen Wesen Antaloors recht hakelig aus, da Gegner häufig so schnell wegrennen, dass man sie einfach nicht trifft. Hat dann ein Schlag gesessen, kann es recht schnell passieren, dass man keine anständige Dreier-Kombo starten kann, weil es einem an Timing mangelt. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, da das Kämpfen auf diese Weise anspruchsvoller wird, schade ist aber, dass der Held in der angespielten Version dann den ersten Schlag immer wieder ausgeführt hat, was eine korrekt ausgeführte Schlagreihe unnötig erscheinen ließ. Doch keine Panik: Wer stupide draufschlägt richtet irgendwann einfach keinen nennenswerten Schaden mehr an. Alles in allem sollte man diese kleinen Mängel nicht überbewerten, sie klingen schlimmer als sie sind.
Letztendlich ist Two Worlds 2 aber noch ein Rollenspiel, das wiederum bedeutet, dass es auch außerhalb der Action einiges zu tun gibt. So fallen als erstes die Dialoge auf, die zwar meist recht einseitig und klischeehaft wirken, aber durch einige Kleinigkeiten aufgewertet werden. Einerseits klingen die Texte deutlich derber und ehrlicher als im Vorgänger und andererseits ist die Möglichkeit, während der Gespräche in einem kleinen Rahmen hin und her zu gehen erstaunlich erfrischend. Außerdem – und das ist in meinen Augen ein sehr wichtiger Punkt – haben die NPCs ihre Passivität abgelegt. Man wird viel häufiger von der Seite angesprochen, die Mitmenschen wirken endlich wie Personen und nicht wie Wachsfiguren und die Dynamik und Abwechslung im Umgang mit ihnen steht in keinem Vergleich zu Teil 1. So wurde ich in einer Wüstensiedlung von drei bettelarmen Siedlern um Hilfe gebeten, im Kontrast dazu schlug mir nur einige Häuser weiter ein Mann am Straßenrand vor, mir von ihm für eine gewisse Entlohnung zur nächsten Stadt helfen zu lassen. Als ich ihm die 300 Goldstücke aushändigte, sprintete er in sein Haus und schloss ab – ich wurde betrogen. Ich hoffe sehr, dass solch verschiedene Verhaltensweisen im ganzen Spiel zu finden sein werden, denn es macht einfach Spaß zu sehen, auf welch unterschiedliche Weise NPCs agieren.
Man darf auch auf die großen Städte gespannt sein: Von diesen gibt es nur 3 Stück im ganzen Spiel, der Rest der Zivilisation besteht aus Dörfern und Lagern. In jeder Großstadt wird der Held ein Haus erwerben können und massenweise Quests entgegen geschleudert bekommen. Um von Ort zu Ort zu reisen kann man auf Pferden reiten, mit dem eigenen Boot segeln, oder man greift wieder auf die alt bekannte Technik der Teleporter zurück, wobei man diese erst freischalten muss. Per Teleportstein kann man dann beliebig oft reisen – in diesem Bereich gibt es keine nennenswerten Änderungen. Aber wer nun jede Nacht in einem Hotel verbringen will, der sollte sich nicht zu früh freuen: Entgegen der anfänglichen Versprechen ist aktuell kein Feature zum Übernachten eingebaut, man wird also gezwungen sein, jede Tageszeit und jede Wetterlage auszustehen. Da die Umgebung aber wirklich exzellent aussieht, sollte man sich keine Sorgen machen, an Augenkrebs zu erkranken, wie bei den irrationalen und unschönen Wetterwechseln in Two Worlds 1.
Sowieso sieht das Spiel grafisch erstaunlich gut aus, was auch durch die nicht immer perfekte Performance der Xbox-Version keineswegs getrübt wird, denn auch diese minimalen Ruckler kommen sehr selten vor. Da es die Entwickler geschafft haben, die Ladezeiten auf ein Minimum zu reduzieren, wird der Spielfluss quasi nie gestört – außer bei einem Todesfall. Wer stirbt, wird anders als im Vorgänger nicht einfach am nächsten Schrein wiederbelebt, sondern kriegt einen klassischen Game Over-Screen zu sehen und darf den letzten Speicherstand neu laden. Das ist nicht nur dem Balancing zuträglich, sondern hilft auch, das Spiel spannender zu gestalten.
Aber was hilft all das theoretische Analysieren von Grafik und Balancing, wenn man ein gewisses Spielgefühl vermitteln will? Genau das ist es nämlich, was vielen Titeln fehlt. Die Einzelteile können so gut sein wie sie wollen, was stimmen muss ist das Gesamtkonzept. Und hier bin ich um ehrlich zu sein noch etwas kritisch, denn so toll alle Features und Verbesserungen auch sind, beim Anspielen hat mich Two Worlds 2 nicht gefesselt. Es hat mich beeindruckt, keine Frage, aber ich konnte nicht eintauchen. Es war wie eine Runde Mario Kart, die verdammt viel Spaß macht, aber nie die Faszination eines „Forza“ erreicht. Das hängt selbstverständlich großteils damit zusammen, dass viele Animationen und vor allem die Audiofiles noch integriert werden müssen, weshalb ich unter anderem ohne Hintergrundmusik spielen musste – ein Todesurteil für fast jedes RPG. Hinzu kommt auch der Rahmen in dem ich gespielt habe, die Gewissheit, hier eine unfertige Version zu sehen und die Tatsache, dass ich von Gebiet zu Gebiet gesprungen bin ohne einem Leitfaden zu folgen. Leider gibt es auch mehrere Punkte, die auch dem fertigen Spiel gefährlich werden könnten. Da wäre erstens das Balancing, was noch im Entwicklungsprozess ist. Zweitens konnte ich keinen Eindruck von der Konsequenz beim Einsatz der Physik erhalten. Man kann Kisten und Fässer tragen und werfen, aber abgesehen davon soll es kaum (kleine) Gegenstände geben, die der Held manipulieren kann – etwas was Oblivion in Sachen Atmosphäre den Hals gerettet hat. Drittens habe ich Zweifel am Wiederspielwert. Es wird nur eine Endsequenz geben, woraus sich folgern lässt, dass der Spieler keinen Einfluss auf die Handlung hat. Da bringen massenweise Fraktionen so gut wie nichts, denn das Gefühl von Eingriffsmöglichkeiten auf den Verlauf der Geschichte und deren Ausgang ist unbezahlbar, vor allem im Rollenspiel-Genre.
Trotzdem kann Two Worlds 2 nachwievor ein absoluter Top-Titel werden, wenn die Intensität des Gameplays durch das ganze Spiel hindurch erhalten bleibt – und das scheint der Fall zu sein.
Der insgesamt positive Eindruck wird noch durch ein weiteres Aushängeschild des Werkes unterstrichen. Ein Spiel dieses Genres, auf dessen Stirn „Multiplayer“ steht? Kann das gut gehen und vor allem besser laufen als in Teil 1?
Ein abschließendes Fazit zu diesem Modus spare ich mir an dieser Stelle, da ich ihn selber nicht anspielen konnte und entsprechend des Entwicklungsstandes von Two Worlds 2 auch noch keine Mitspieler gehabt hätte. Aber gerade der Village-Modus hat es mir angetan, hier wird man nämlich sein eigenes Dorf aufbauen können. Dabei bleibt das Spiel in der gewohnten Ansicht, man kann Häuser aufbauen und abreißen lassen und verschiedene wirtschaftliche Aspekte wollen beachtet werden. Vor allem die Optik hat mich überzeugt, da die idyllische Landschaft samt wunderschöner Architektur einfach perfekt auf den Modus passte.
Bei einem Onlinemodus ist die Aktivierungspflicht aber leider nicht weit. Diese läuft ab wie bisher: Per Telefon oder Internet muss das Spiel nach der Installation aktiviert werden, nach 3 Aktivierungen muss man sich an den Hersteller wenden. Ich schätze dieses Verfahren zwar immernoch nicht besonders, aber da es allemal besser als eine Kopierschutzpolitik im Stile von Ubi Soft ist halte ich es für einen ganz guten Kompromiss.
Doch nicht nur in Sachen Kopierschutz muss sich der Titel seiner Konkurrenz stellen, denn sollte der Titel wirklich wie geplant Ende September oder Anfang Oktober erscheinen, dann steht Two Worlds 2 in direkter Konkurrenz zu Gothic 4. Doch auch wenn Gothic ganz klar den größeren Namen hat, könnte der Platzhirsch vom Außenseiter in die Schranken gewiesen werden. Vom spielerischen Ersteindruck gefiel mir Two Worlds 2 deutlich besser als Gothic 4, obwohl ich anfangs eher auf letzteren Titel getippt hätte.
Da ich aber kein Spiel im Vornherein gerne überwiegend lobe oder kritisiere, warte ich nun das finale Produkt ab und hoffe, dass auch das Segel-Feature gut ins Gesamtbild passen wird. Dass Two Worlds 2 besser wird als sein Vorgänger ist in meinen Augen inzwischen vollkommen eindeutig, ob es sich auch im direkten Konkurrenzkampf gut schlägt, sobald es voraussichtlich mit dem USK-16-Logo ungeschnitten im Laden steht, kann niemand so genau sagen.
Eindruck: Sehr gut